Israel 2023

11/05/2023 bis 21/05/2023

11/05/2023

Jerusalem

Die Reise nach Jerusalem war erstaunlich unproblematisch. Die Einreise war entgegen unseren Befürchtungen schnell und einfach. Am Flughafen haben wir auch noch eine SIM-Karte, Bargeld und ein Zugticket bekommen - die Zutaten für einen erfolgreichen Start in ein neues Land. Die Fahrt durch die sanften Hügel war gerade kurz genug, um nicht langweilig zu werden. Durch einen Tunnel fährt man in die Stadt hinein. Der Bahnhof scheint irgendwo in der Nähe des Erdkerns zu liegen, gemessen an den endlosen Rolltreppen, die hinauf ins Licht der Heiligen Stadt führen.

Ein Wochenende in Jerusalem muss gut geplant sein, da der Shabbat viele Möglichkeiten einschränkt. Obwohl erst Donnerstag war, mussten wir nach unserer Ankunft schnurstracks durch die Altstadt zum Tempelberg spurten. Ein Besuch war während unseres dreitägigen Aufenthalts nämlich nur während dieser einen Stunde möglich. Hilfreiche Schilder sind keine Stärke der Israelis. Vielleicht liegt es auch an den darmartig verknoteten Gässchen der Altstadt, dass jeder Spaziergang mehrfach an derselbe Ecken vorbeiführt.

Der Tempelberg ist ein weitläufiges, gepflastertes Areal auf einer Ebene über der großen Klagemauer. Von der westlichen Seite führt eine hässliche, überdachte Brücke hinauf, die man zwar von überall aus sieht, aber nur mit viel Mühe wirklich findet. Nach allerlei Sicherheitskontrollen durften wir dann, an einem Trupp dösender Soldaten vorbei, hinauf zum Tor. Eigentlich ist es ja nicht so praktisch, ein Tor am oberen Ende einer Mauer anzubringen. Aber in Jerusalem sind die Ebenen geradezu geheimnisvoll.

Oben liegt die etwas unauffällige, aber sehr heilige Al Aqsa Moschee und der prachtvolle Felsendom. Beides dürfen nur Muslime betreten - obwohl Juden und Christen den Fels des Felsendoms (aus verschiedenen Gründen allerdings) auch ziemlich wichtig finden. Mit seiner riesigen Kuppel glänzt der Schrein in der Sonne wie ein goldenes Taj Mahal. Als Ungläubige (insbesondere hier ein ziemlich relativer Begriff) konnten wir den wunderschönen Tempel leider nur von allen acht Seiten von außen bewundern.

Für den Weg zurück in die Altstadt muss man seltsamerweise nur eine kurze Treppe heruntergehen. Die dortigen Tore stehen zwar weit offen werden aber gut bewacht - eine heilige Einbahnstraße, durch die Juden und Christen nur in einer Richtung gehen dürfen. Nur ein paar Stufen trennen die gleißende Helligkeit des Tempelbergs vom urigen Gewusel der Basarstraßen und Marktgassen. In unzähligen kleinen Buden werden Süßigkeiten, Souvenirs und Gebetszubehör angeboten. Es ist kühl und schattig, weil dieser Teil der Altstadt größtenteils von einer weiteren geheimnisvollen Ebene überdacht ist, deren Zugang wir erst nach Tagen gefunden haben.

Nach ein paar Ehrenrunden und der ersten Schale Hummus haben wir irgendwann auch wieder aus den Gassen der Altstadt heraus gefunden. Unsere Unterkunft lag nicht weit vom Jaffa-Tor entfernt, wo das moderne Jerusalem wartet. Entlang der belebten Jaffa Street sind die Nebenstraßen voll von Restaurants und Bars und Geschäften. Wir haben es nur bis zu einer einladenden, kleinen Bar geschafft und dort in der Dämmerung auf Jerusalem angestoßen.

12/05/2023

Einen Freitag muss man schon genauer planen, um nicht in die Shabbat-Falle zu geraten. Nach einem tollen Frühstück mit 100 kleinen Schälchen haben wir die Straßenbahn-Linie 1 genommen (die einzige, die 2 gibt es nicht) und sind bis zur nicht allzu weit entfernten Endstation auf dem Herzl-Berg gefahren. Dort liegt die berühmte Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Das hüglige Areal ist sehr schön gestaltet.

Der Kern der Anlage ist das wirklich gut gemachte, aber natürlich sehr beklemmende Holocaust-Museum. In anschaulichen und mit viel bewegendem Material gestalteten Räumen wird die Geschichte des Antisemitismus in Deutschland bis zu den Konzentrationslagern der Nazis dokumentiert. Das war kein leicht verdauliches Urlaubsprogramm, aber ein Besuch lohnt sich sehr. Niemals vergessen!

Zurück in der Stadt haben wir uns in den Yehuda Market gestürzt. Eigentlich ist es ein ganzes Viertel, das aus überdachten und freien Straßen mit endlos vielen Marktständen besteht. Hier gibt es vor allem Lebensmittel. Freitag mittags ist die Hölle los, weil jeder noch etwas für den Shabbat besorgen muss: Einen Klafter Pitas, einen Sack Nüsse, Obst, Tee, Fisch, Blumen für die Mutter. Viele nutzen die Gelegenheit um sich vor dem Besuch bei der Familie noch ein linderndes Bierchen oder zwei hinter die Binde zu kippen. Entsprechend laut und ausgelassen ging es zu.

Ganz selbstverständlich hatten die jungen Leute, die vom Wehrdienst ins Wochenende fuhren, ihre Gewehre umhängen. Vor allem, wenn sie keine Uniform trugen, wirkte das befremdlich auf uns. Aber uns blieb nicht lang uns zu wundern. Nach 15:00 Uhr, wenn der Markt schließt, dauerte es nicht lang und die Straßen waren leergefegt. Auf dem Weg zurück in die Innen- und dann Altstadt hatten die meisten Geschäfte schon zu. Die am Tag zuvor noch so wuseligen Straßen waren leer und verrammelt.

In der Altstadt kann man auch am Wochenende noch einiges unternehmen. Neben den Juden und Muslimen haben auch die Christen dort ein bisschen Geschichte hinterlassen. Vieles davon liegt in der tollen Grabeskirche. Um hierher zu gelangen muss man sich wieder auf Schilder verlassen, denn der große Bau ist von außen quasi unsichtbar. Die Außenmauern sind von überdachten Marktstraßen umgeben und die mächtige Kuppel ist von den engen Gassen aus nicht zu sehen. Eine unscheinbare Tür führt in einen großen Innenhof, der zumindest einen Teil der Fassade sichtbar werden lässt.

Hier soll nicht nur das Grab Jesu gewesen sein, an dessen Ort jetzt eine kleine Kapelle unter der gigantischen Kuppel steht. Auch der Berg Golgatha soll keine 20m weiter links (heute immer noch im Gebäude) gewesen sein - interessanterweise im ersten Stock. Dort nimmt ein prächtiger versilberter Schrein unter einem wirklich wunderschönen Deckenfresko die Gebete der Gläubigen entgegen, die unter einen Altar kriechen um den Felsen zu berühren, auf dem Jesus gekreuzigt wurde. Ein bisschen Gymnastik hilft schon im Diesseits. Als ob es nicht gereicht hätte, hat die Kirche auch noch ein sehr geräumiges Untergeschoss, in dem Adams (bekannt aus „Band 1“) Schädel liegt. Viel heiliger geht es im Christentum kaum, daher verwalten Griechen, Katholiken, Armenier, Äthiopier, Kopten und Syrer die Kirche gemeinsam. Und weil keiner den anderen über den Weg traut, ist der Schlüssel der Kirche bei einer alten muslimischen Familie in Verwahrung. Aus dem Nachbargrundstück ragt ein hohes Minarett in den Himmel - hier ist wirklich viel Kultur auf kleinstem Raum.

Daher weichen in Jerusalems einige auf eine höhere Ebene aus. Wenn man von der Grabeskirche aus ungefähr vier mal links abbiegt kommt man zu einer unscheinbaren Treppe, die auf Höhe des zweiten Stocks führt, wo es weitere Straßen und Häuser gibt. Dorthin hat sich angeblich die äthiopische Delegation zurückgezogen, um auf dem Dach der Kirche zu leben. Wir haben ihr Haus nicht gefunden. Dafür konnten wir einen Blick auf die Kuppel werfen, die sich auf den Oberdeck besser präsentieren kann.

Als es auf den Sonnenuntergang zu ging, sind wir zur Klagemauer gelaufen. Zum eigentlichen Beginn des Shabbats eilen zahllose fromme Juden fein herausgeputzt zum Gebet. Die Metalldetektoren und Röntgenscanner liefen auf Hochtouren. Die getrennten Mauerbereiche für Männer und Frauen füllten sich. Bis auf einen ausgelassenen Reigen junger Frauen war es eine eher stille Veranstaltung - keine Gesänge, keine Glocken, keine Durchsagen.

Immer mehr Männer in langen schwarzen Brokatmänteln mit Schläfenlocken und Schtreiml auf dem Kopf eilten herbei. Frauen mit Perücken, langen Röcken und flachen Schuhen, auf denen sie kaum laufen konnten, eilten hinterher. Im Schlepptau kleine Jungs in Anzügen mit Krawatten und Kippas, kleine Mädchen mit Puppenstrümpfen und Schleifen im Haar. Junge Männer in schwarzen Anzügen und Fedoras, die auch für Al Capone hätten arbeiten können, eilten etwas lässiger. Es wurde dunkler, das Gedränge enger, überall am Fuße der gewaltigen Mauer wurde gewippt, gemurmelt und gequatscht. Als es uns zu kühl wurde, machten wir kehrt. Auf dem Weg aus der Altstadt heraus eilten uns noch mehr verspätete fromme Familien in Zweierreihen entgegen. Man muss dazu sagen, dass das Eilen am Shabbat eigentlich verboten ist. Aber Sonnenuntergang ist offenbar Interpretationssache.

13/05/2023

Glücklicherweise haben wir auch am heiligen Samstag ein leckeres Frühstück im netten Restaurant Menza bekommen. Danach haben wir einen langen Spaziergang in die Altstadt und auf der anderen Seite wieder hinaus gemacht. Hinter dem Löwentor beginnt das Reich der Toten. Von der Stadtmauer bis zum Ölberg erstrecken sich riesige Friedhöfe mit Hunderttausenden Gräbern: Vereinzelt zwischen wilden Olivenbäumen oder Stein an Stein gedrängt auf den nackten Hängen. In einem kleinen Tal mit herrlichem wilden Mohn kamen wir an uralten verwitterten Grabmälern vorbei, die aus riesigen Felsblöcken gehauen wurden.

Auf dem Rückweg haben wir den „Rampart Walk“ genommen - ein Weg, über die Stadtmauer selbst. Wir hatten uns besondere Blickwinkel auf die Sehenswürdigkeiten der Stand versprochen, da man vom Straßenniveau aus oft wenig sieht. Aber hauptsächlich guckt man auf Satellitenschüsseln und Wassertanks. Dennoch überraschend waren die Orte einer ganz normalen, modernen Stadt, die sich in der Jersualemer Altstadt auf der versteckten oberen Ebene finden: Tennis- und Fußballplätze, Spielplätze, kleine Gärten (mit Kunstrasen), vergessene Fahrräder. Nichts davon wurde am Samstag benutzt.

Etwas später haben wir einen weiteren Ausflug auf den Deckel der Altstadt gemacht. Wir hatten endlich im Gewirr der Basargassen die Treppe gefunden, nach der wir seit Tagen gesucht hatten. Man kann auf den Dächern der zentralen Märkte herumlaufen, durch kleine Fenster auf die Straßen hinunter gucken oder einfach auf einer der Bänke dort oben in der Nachmittagssonne dösen. Den Abend haben wir im wunderbaren Restaurant Mona verbracht.