Sulawesi
Vor langer, langer Zeit waren wir schon mal in Sulawesi. Damals waren wir nur im äußersten Norden auf Palau Bangka zum Tauchen. Mehr als 15 Jahre später kehren wir zurück um uns die ganze Insel anzusehen.
Vor langer, langer Zeit waren wir schon mal in Sulawesi. Damals waren wir nur im äußersten Norden auf Palau Bangka zum Tauchen. Mehr als 15 Jahre später kehren wir zurück um uns die ganze Insel anzusehen.
Nach dem langen Flug hat es nochmal knapp eine Stunde gedauert, um vom Flughafen bis nach Kuala Lumpur hinein zu fahren. Immerhin sind die Online-Taxis günstig und man hat keine Verständigungsprobleme beim Ziel. Auch hier waren wir schon einmal, vor über 20 Jahren. Wir konnten uns beim besten Willen nicht mehr erinnern, wo wir damals abgestiegen sind - nur, dass es ziemlich billig war und weder Fenster noch Bad hatte. Man wird alt und gemütlich, dieses Mal wollten wir beides!
Das Hotel „The Chow Kit“ im gleichnamigen Bezirk ist in einem umgestalteten, alten Gewerbehaus untergebracht, wie es auch in Manhattan stehen könnte. Die Einrichtung hat einen dezenten 50er-Jahre-Charme gemixt mit etwas Kolonialstil und chinesischen Elementen. Wir wollten Fenster und haben Fenster bekommen - bodentief über die ganze Breite mit Blick auf die nächtlichen Hochhäuser der Stadt. Es fuhr sogar eine Hochbahn unter unserem Fenster her und machte eine Kurve über einer wuseligen Kreuzung - das ganze Asia-Bladerunner-Programm, aber hinter schalldichten Fenstern - ein Traum! Im Restaurant des Hotels haben wir noch ein spätes Abendessen bekommen und konnten dabei direkt viele malaysische Spezialitäten probieren, bevor wir uns endlich dem Jet Lag hingeben konnten.
Den Morgen haben wir noch vorsichtig unasiatisch mit einem köstlichen Avocado-Sauerteigtoast und einem göttlichen French Toast gestartet. Danach ging es aber authentisch lokal mit einem Spaziergang zum nahegelegenen Chow Kit Market weiter. Das ist ein sogenannter „wet market“, weil es dort Lebensmittel, insbesondere frischen Fisch und Fleisch gibt. In der großen Halle, die einen ganzen Häuserblock einnimmt, herrschte das typische Marktgewusel. Wet ist Programm. Der ganze Markt war nass, weil jeder Stand ständig seine Ware mit Wasser abspritzt, oder vom Eis, das unter tollen Fischen wegschmolz. Der Gang mit Hühnern und Fleisch war nicht ganz so magenfreundlich wie der duftende Obst- und Gemüsebereich.
Hinter dem Markt schließt sich Warung Baru an, ein älterer, einfacher Stadtteil. Hier stehen teilweise nur einfache Hütten, hinter denen sich die Skyline KLs mit den Petronas Towers erhebt. Eine Brücke führt über den traurigen Klang River, der braun und dreckig durch einen tief eingeschnittenen Kanal durch die Stadt fließt. Dahinter sind wir ins Hochglanz-KL mit den Petronas Towers, Hotel-Hochhäusern und Edel-Malls eingetaucht. Ein paar Blocks weiter waren wir in der Ilham Gallery, die vielleicht die Rolle eines fehlenden Museums für Contemporary Art einnimmt. Die kostenlose Ausstellung war klein, aber interessant und hat viele eigenständige asiatische Künstler gezeigt.
KL ist keine Stadt für Fußgänger. Die Straßen ziehen sich endlos dahin und sind nur für Autos und die unzähligen Motorräder ausgelegt. Daher haben wir die U-Bahn genommen, um nach China Town fahren. Dort haben wir den Fehler gemacht, noch kurz in der National-Moschee reinschauen zu wollen. In der Gegend hatten wir uns vor 20 Jahren schon mal verlaufen. Wir mussten den großen Komplex einmal umrunden, um dann dort zu erfahren, dass der Zugang für Nicht-Muslime erst später wieder möglich wäre. Bei 33 Grad können solche Umwege unangenehm werden. Der noch größere Fehler war, dass wir dachten, wir könnten stattdessen kurz beim schönen, alten Bahnhof vorbeischauen, der Kolonialstil mit indisch angehauchter Fantasiearchitektur mischt. Vermutlich war das mal das Zentrum der Stadt. Aber heute ist es ein unpraktischer Ort, der nur von großen Straßen umringt ist und das Gegenteil seiner eigentlichen Aufgabe erwirkt: Statt zu verbinden, versperrt er Fußgängern in allen Richtungen den Weg. Man kann nicht hinein- oder hindurchgehen, sondern muss einen ewigen Umweg drum herum einschlagen. Langsam kehrten unsere Erinnerungen zurück.
Irgendwann sind wir in China Town gelandet. Die berühmte Pentaling Street ist ein Touristenmagnet und eigentlich langweilig. In den Seitenstraßen gab es ein bisschen echtes Gewusel, aber insgesamt hat sich der Abstecher so wenig gelohnt wie der Bahnhof. Wir hatten uns kurz in den Kopf gesetzt, dass man dort Dumplings bekommen müsste. Aber das war das einzige, das auf den Aushängen der vielen Garküchen nicht zu finden war. Über all dem ragte, wie von einem Ufo abgestellt, ein riesiges, amorphes Hochhaus.
Nach ein paar spiralförmigen Runden durch das Viertel, sind wir zum naheliegenden Fluss gegangen, um weitere zentrale Sehenswürdigkeiten wie das Sultan Abdul Samad Building und einen großen Rasenplatz, der mit Fahnen zugekleistert war, zu würdigen. Wir standen gerade vor einer Tafel, auf der der hässliche Klang „River of Life“ genannt wurde, als eine große Styroporbox von Plastikflaschen eskortiert auf dem braunen Wasser an uns vorbei floss.
Am Abend hatten wir ein fantastisches Dinner mit asiatischer Fusion-Küche aus Singapur und Malaysia. Währenddessen hat es derart angefangen zu regnen, dass wir auf dem Rückweg, weil kein Taxi zu bekommen war, am Ende Barfuß durch die klitschnassen Straßen spaziert sind. Der Schirm im Gepäck hat sich schon am ersten Tag gelohnt - um das mal positiv zu sehen.
Weil unser erster Besuch schon so lange her war, haben wir uns entschlossen auch nochmal zu den Batu Caves zu fahren. Das ist ein indischer Tempel in einer riesigen Höhle, zu der eine noch größere Treppe hinauf führt. Hier hat sich in der Zwischenzeit einiges getan. Zum Beispiel wurde eine Eisenbahn gebaut, die dort hinführt. Aber schon beim Ausstieg war klar, dass die ganze Umgebung explodiert ist. Der Weg zu den Höhlen führte uns an neuen Höhlen voller indischem Götterkitsch, Pfauenzoos, Affenfütterstationen, Lotusteichen und noch mehr Tempeln vorbei. Neben der Treppe ist eine dezente 40m hohe, goldene Statue gebaut worden. Wir können es kaum erwarten uns zuhause unsere alten Fotos (damals noch auf 36er Film!) zum Vergleich anzusehen.
Zurück in der Stadt haben wir noch einige Viertel besucht, um mal einen Überblick über das Leben in KL zu bekommen. Das angesagte Bangsar war wohl mal ein Dorf, das von der Stadt gefressen wurde. Die Gebäude waren flach und es deutete sich ein Western-Style-Viertel an. So hip wie vermutet war es zwar nicht, aber die Dichte an Cafés und Frisörsalons ließ erahnen, wo es hingehen würde.
In Brickfields liegt das Little India von KL. Gottseidank sind wir nicht zu Fuß gelaufen. Sogar die Taxifahrt hat sich ewig gezogen, obwohl es quasi nebenan lag. Die Hauptstraße war mit bunten Säulen und Bögen verziert und jedes Geschäft war durch und durch indisch: Sari-Geschäfte, Bindi-Geschäfte, Samosa-Stände, Barfi-Stände und natürlich endlos viele Restaurants. Wo waren wir nochmal? Malaysia?
Interessanterweise ging dieser indische Streifen nahtlos in die modernen Malls von KL Sentral über, wo der neue Hauptbahnhof liegt (der auch in eine Mall übergeht). Mit einer Hochbahn sind wir zwischen Brachen, verwitterten alten Hochhäusern und mehr Malls ins viel beworbene Bukit Bintang gefahren. Das wurde auf vielen Reiseseiten als bestes Viertel für Touristen empfohlen. Wir waren dann ziemlich froh, dass wir nicht dort abgestiegen sind. Denn die Gegend war (neben mehr Malls) voller Fressmeilen und Touristenkneipen.
Am Abend haben wir bei unserem Hotel um die Ecke ein nettes kleines Viertel mit vielen schön aufgemachten Restaurants und auch einfachen Food Stalls entdeckt. Dort haben wir mal ganz ortsfremd karibisch gegessen.
Später war der Ruf der nächtlichen Petronas doch verlockender als das Bett, und wir haben noch einen ausgedehnten Spaziergang ins KLCC gemacht. (Wir hätten ein Taxi nehmen sollen). Bei Nacht waren die beleuchteten Hochhaustürme besonders eindrucksvoll und die Klang-Brücke in Warung Baru war mit der malaysischen Flagge beleuchtet und voller Locals, die sich gegenseitig vor ihren Wahrzeichen fotografierten.
In nur wenigen Stunden sind wir von Kuala Lumpur nach Makassar, der größten Stadt in Sulawesi, geflogen. Wegen einer kurzfristig nötigen Planänderung haben wir diese Millionenstadt, die keine nennenswerten Attraktionen hat, übersprungen und sind direkt nach Norden gefahren. Mit einem Online-Taxi sind wir in nur 45 Minuten über eine wuselige und durchgehend bebaute Landstraße ins kleine Nest Rammang Rammang gekommen.
Es war schon dunkel als wir in Nasrul‘s Homestay angekommen sind. Das kleine Haus lag an einem Reisfeld, die Familie saß unten vorm Haus, die Gästezimmer nahmen das obere Stockwerk ein. Die Zimmer waren nur einen Fuß größer als das Bett und die Wand aus Pappe hat erst kürzlich einen Vorhang als Raumtrenner abgelöst. Aber alles war sehr sauber und wir wurden herzlich empfangen. Es waren noch ein paar weitere Backpacker da und wir haben gemeinsam ein leckeres Abendessen bekommen.
Danach sind wir zwar ins Bett gegangen, aber bis vier Uhr morgens war an Schlaf nicht zu denken. Der Ruf des Muezzins aus der zwei Meter entfernt liegenden Mosche kam ungehindert durch löchrigen Wände. Das haben wir noch als Kulturprogramm genossen. Aber das Ende des Nachtgebets war der Startschuss für eine brutale Karaoke-Session irgendwo nebenan. Die Sänger wurden im Laufe der Nacht immer lauter und immer schlechter. Das hatten wir in so einer ländlichen Gegend nicht erwartet. Mit dem Morgengebet hatte der Spuk ein Ende und die Sonne ging über den trägen Reisfeldern wieder auf.
Rammang Rammang ist für seine Karstlandschaft berühmt. Von Nasruls Haus aus konnten wir die Gegend gut zu Fuß erkunden. In dem verschlafenen Nest sind wir kaum jemandem begegnet. Wahrscheinlich waren alle vom Karaoke-Battle noch außer Gefecht. Es war nicht weit bis zum Taman Batu („Steinwald“), der eine Art Miniversion der Tsingy in Madagaskar hätte sein können. Die scharfen, schwarzen Felsen boten eine schöne Szenerie für einen kurzen Spaziergang.
Die Hauptattraktion war aber die Bootsfahrt über den kleinen Fluss. Es gab einen gut organisierten Anleger, wo jede Menge Bootsführer auf Touristen warteten. Der Fluss schlängelte sich ein paar Kilometer durch dichten Dschungel. Immer wieder tauchten von Grün überzogene Karstberge auf, bis das Boot schließlich in einem buchtähnlichen, von den steilen Klippen eingeschlossenen Tal Halt machte. Dort lag das eigentlich Dorf Rammang Rammang.
Es bestand nur aus einer Handvoll Häusern, die an einem Schachbrett aus Reisbecken standen. In der immer stärker werdenden Hitze sind wir über Stege und Wälle spaziert. Die Reiseführer erwähnten ein paar Höhlen, die wir auch alle brav abgeklappert haben. Gegen ein kleines Eintrittsgeld haben wir von den „Betreiberfamilien“ eine Taschenlampe bekommen. Damit sind wir dann ein bisschen herumgekraxelt. In den Höhlen war es zwar viel kühler, aber derart feucht, dass wir nach Minuten komplett nass waren. Zu sehen gab es überhaupt nichts.
Die Rückfahrt auf dem Fluss war nochmal genauso schön wie der Hinweg. Wir hätten am liebsten noch eine Runde gedreht. Stattdessen haben wir uns mit Handy und Offline Maps auf die Suche nach den „Angel Pools“ gemacht, einem natürlichen Frischwasserbecken, wo man wohl schwimmen konnte. Der Weg war abenteuerlich. Hier durch die Gerümpelecke eines Hauses, dort über eine Brücke aus gefährlich dünnen Bambusplanken, über alte Autoreifen durch einen Fluss und schon hatten wir uns verlaufen. Eigentlich waren wir genau richtig, nämlich vor einem Schild „Angel Pools“. Allerdings war dort nichts außer ein paar schlammigen Pfützen - “Toad Pools“ höchstens! Durch Zufall tauchte unser Wirt Nasrul mit den anderen Backpackern in dem Moment dort auf, als wir umdrehen wollten. Das Schild hätte man wohl als aufmunternden Wegweiser interpretieren sollen. Denn sehr viel tiefer im Wald haben wir dann unser erfrischendes Bad gefunden.
Auf dem Rückweg haben wir noch einen weiteren Abstecher zu der sogenannten „Firefly Cave“ gemacht. Der Weg führte an schönen Reisfeldern vorbei, die in warmes nachmittägliches Licht getaucht lagen. Auf dem Weg gab es auch ein paar aufmunternde Schilder - allerdings keins an dem einzigen Abzweig. Mitten im Wald lag ein Friedhof mit gekachelten Gräbern, das wirkte schon ein bisschen als hätten wir uns wieder verlaufen. Aber dann kamen ein paar Hütten in Sicht und es winkte schon jemand mit Taschenlampen. Diese Höhle war (als einzige) wirklich eindrucksvoll. Über mehrere Leitern gelangte man in zwei hohe Räume. Überall glitzerten und funkelten die Tropfsteine im Schein unserer Lampe. An einigen Stellen hatten sich Stalaktiten und Stalagmiten schon fast getroffen.
Wir konnten netterweise noch duschen und auch unser Zimmer/Eckchen bis zum Abendessen behalten. Gegen zehn Uhr Abends hat Nasrul dann ein Taxi organisiert und uns zu einer Tankstelle an der Hauptstraße begleitet, wo die Busse aus Makassar hielten. Das war der Trick, mit dem wir einen Tag einsparen konnten. Statt einer weiteren Nacht in Rammang Rammang, haben wir uns Tickets für den Nachtbus („Sleeper Bus“) nach Rantepao organisieren lassen und die Nacht im Bus verbracht. Von Rammang Rammang dauert die Fahrt auch nur 8,5 statt 11 oder mehr Stunden aus Makassar!
Der Sleeper Bus hatte richtige Liegen, die in zwei Etagen übereinander gebaut waren. Mit Vorhängen nach innen und außen konnte man es sich etwas privater machen. Es war sogar einigermaßen bequem. Nur das Schlingern und Rollen des Busses auf der viel befahrenen, kurvenreichen Straße hat die nächtliche Erholung geschmälert. Aber gegen den Karaoke-Angriff der vorigen Nacht, war die Busfahrt ein Labsal.
Der Nachtbus hat uns zügig nach Rantepao geschaukelt. Wir waren schon vor 6 Uhr in da und sind kurz vorm Ortseingang ausgestiegen. Die Nacht hätte fast ein bisschen länger dauern können - Bus hin oder her. Per WhatsApp konnten wir unser Guesthouse erreichen, die uns schon um diese üble Uhrzeit spontan abholen kamen. Wir konnten zwar noch nicht in unser Zimmer, aber uns wurde netterweise ein frühes Frühstück serviert.
Gleichzeitig konnten wir uns eine Führerin organisieren, um den Tag direkt zu nutzen. Nach dem Frühstück stand dann schon Manda, eine ältere Frau, mit zwei Motorrollern vor der Tür, um uns abzuholen. Wir haben uns gleich in den herrlich hektischen Verkehr gestürzt und versucht ihr auf den Fersen zu bleiben. Als Rollerfahrer ist man eigentlich ständig im Überholvorgang, egal ob links oder rechts vorbei, Hauptsache hupen.
Toraja ist für drei Dinge berühmt: Die Architektur der Häuser, Kaffee und Begräbnisse. Die Häuser mit ihren eigentümlichen, wie Sättel geschwungenen Dächern sieht man überall in der Gegend. Und man muss auch nicht lange fahren, um Gräber zu sehen. (Am schwierigsten ist es, einen guten Kaffee zu bekommen).
Als erstes führte uns Manda über steile und kurvige Straßen zu den Gräbern von Londa. Dort gab es eine verzweigte Höhle, in der die Bewohnern der Gegend ihre Toten begraben. Begraben ist eigentlich das falsche Wort, da die Toten auf viele Arten bestattet werden - aber nie in der Erde. Schon vor dem Eingang der Höhle stapelten sich Särge und nackte Schädel beschützt von einem großen Felsüberhang. Die Särge waren aus dickem Holz gezimmert und waren in einer Art Regal aufgestellt, das in den Fels gehauen war. Ein paar Grabbeigaben wie Essschüsseln hingen außen an den Särgen. Einige Särge waren aufwändig an Seilen befestigt und hingen weiter oben am Fels.
Obwohl die Toraja ein kleines Volk sind, ist ihre Gesellschaft in drei Kasten aufgeteilt. Die Kaste bestimmt, welche Art von Begräbnis man sich leisten muss. Für Tote der „High Class“ werden lebensgroße Figuren angefertigt. An den Grabfelsen gibt es oft ein Art Tribüne, in der diese Figuren (meist sitzend) aufgestellt werden - und ewig grüßen die Ahnen. Das ist ein bisschen skurril, aber macht Eindruck. Natürlich müssen die Nachfahren alle paar Jahre mal die Kleidung der Figuren erneuern.
In die Höhle von Londa wurden wir mit einer flackernden Öllampe geführt - gelungener Effekt, wenn Totenköpfe zwischen den hüpfenden Schatten hervorlugen. Weniger gelungen war der Effekt der Opfergaben - den Toten werden gerne Zigaretten und Wasser in PET-Flaschen mitgebracht, so dass es am Ende ein bisschen wie ein Müllhaufen aussieht. Dazwischen standen Fotos von den Toten und Kreuze. Denn die Toraja sind heute alle Christen.
Eine weitere beliebte Form der Bestattung sind Felsengräber, die wir an einem anderen Ort besichtigten. In die Felsen werden Grabkammern gehauen - so groß wie eine kleine Garage. Das ist das Pendant zu einer Familengruft. Die Kammern bieten Platz für mehrere Generationen. Damit die Ruhe der Toten nicht gestört wird - auch wenn die Nachfahren sie auch gerne selbst mal rausholen, um sie neu einzukleiden - werden die Kammern mit verzierten Holztüren verschlossen. Diese quadratischen Öffnungen lassen die Felsen wie ein Hunderwasser-Haus wirken
Manda trieb uns an, da wir uns mittags auf eine große Hochzeit schleichen sollten. Mit großem Hof und in Anzug und weißem Kleid kam das Brautpaar aus der Kirche zum Festgelände. Dort wurden ein paar Tänze aufgeführt und lange Reden gehalten, die vom Publikum klaglos ertragen wurden. In extra aufgebauten, offenen Hütten waren Hunderte Gäste versammelt. Unsere Führerin hatte uns einfach zur Familie gesetzt und sich dann über das verteilte Mittagessen hergemacht. Da wir aber nicht viel tun konnten als zu lächeln und zu winken, haben wir uns verabschiedet, nachdem das Brautpaar in prächtigen traditionellen Toraja-Trachten wieder auf die Bühne kam.
Wir mussten uns auch beeilen, da wir in einem anderen Dorf in der Nähe zu einer Doppel-Bestattung wollten. Eine Hundertjährige und ihr über 70 Jahre alter Sohn wurden betrauert. Das war kein zufälliger Doppeltod. Die Toraja balsamieren ihre Toten ein und behalten sie so lange in ihrem Haus bis sie sich eine standesgemäße Bestattung leisten können. Das kann auch mal ein paar Jahre dauern.
Die Zeremonie beinhaltet vor allem die Demonstration von Stand und Reichtum, was durch das Schlachten von Büffeln geschieht. Die Feierlichkeiten ziehen sich - je nach Kaste - bis zu zehn Tage oder länger hin. Wir hatten den letzten Tag erwischt, so dass wir das große Schlachten verpasst haben. Auf Videos von anderen Reisenden konnten wir später sehen, dass es recht unappetitlich ist, wenn man einem Büffel nach dem anderen die Kehle durchschlägt.
Als wir ankamen, lagen am Rand der zentralen Sandfläche schon stapelweise abgetrennte Büffelhörner, die später zur Verzierung der Häuser verwendet werden. Der Sand war noch blutrot und feucht und roch nicht besonders lecker. Die zwei Särge waren rot angemalt und gelb verziert. Sie standen auf Holzgestellen mit großem Dach - einer Miniaturversion der Toraja-Häuser. Für die alte Dame wurde auch ein schickes sitzendes Holzduplikat angefertigt, mit eleganter Tracht und Strohhut.
Aus riesigen Töpfen wurde gekochtes Büffelfleisch geschöpft und unter den Gästen verteilt. Unsere Führerin freute sich riesig über ein zweites Mittagessen. Dann konnten wir noch das Ende der Zeremonie miterleben. Erst haben die Gäste einen großer Kreis gebildet und ein Lied angestimmt. Viele hatten T-Shirts mit einem sehr unvorteilhaften Foto der Verstorbenen an. Einige Hinterbliebene haben sich laut klagend und weinend auf die Särge gestürzt. Dann wurden die schweren Holzgestelle von einer aufgekratzten und ziemlich betrunkenen Meute starker Männer unter großem Gejohle und Geschrei an langen Bambusstangen davon getragen. Die Särge wurden zu einem „Hausgrab“ (etwas wie ein Mausoleum im eigenen Garten) getragen. Unterwegs wurde alles niedergemäht, was nicht schnell genug aus dem Weg sprang. Unter viel Gelächter wurde eine Stromleitung über der Straße vom Giebel des Sarghäuschens herunter gerissen. Das alles war sehr eindrucksvoll.
Unser ereignisreicher Tag war noch nicht zu Ende. Manda hat uns noch auf eine extra lange Tour in den Süden mitgenommen, um noch mehr Gräber zu sehen. Bemerkenswert waren die Baumgräber. Wenn Babies sterben bevor sie Zähne bekommen, bekommen sie noch keine ordentliche Bestattung. Manche Familien höhlen kleine Löcher in den Stamm eines speziellen Baums und bestatten die Babys da rin. Das Loch wird versiegelt und wächst mit den Jahren wieder vollkommen zu.
Als wir endlich zurück im Hotel waren, waren wir zwar absolut begeistert von dem interessant Tag - aber auch todmüde.
Die letzten Tage waren wirklich anstrengend. Wir haben es tatsächlich geschafft fast 12 Stunden zu schlafen. Um nicht gleich wieder in hektisches Programm zu verfallen, haben wir den Tag sehr entspannt verbracht. Wir haben den Motorroller vom Guesthouse gleich behalten und sind damit gemütlich durch die Gegend gefahren. Zuerst haben wir Kete Kesu gleich um die Ecke besucht. Dort gibt es die typische Toraja-Kombination: eine Doppelreihe Tongkonan (Toraja-Häuser - kleine für Reis und große für Menschen) und einer angrenzenden Grabstätte. Die Gräber waren wirklich eindrucksvoll. Hier gab es fast alle üblichen Varianten zu sehen: Mausoleen, am Fels hängende Holzsärge, Reihen von Totenschädeln, Totenkammern hinter Holztüren im Fels, frei herumstehende Särge. Dazu kamen große Fotos, Gemälde oder am liebsten lebensechte Holzfiguren der Verstorbenen. Besonders gruselig war eine in den große Felskammer mit mehreren Reihen von Holzpuppen, die uns durch ein Gitter anstarrten.
Direkt vor dem Eingang haben wir im netten Manna Coffee House, dem wahrscheinlich besten Café der Gegend, auch endlich den berühmten Toraja-Kaffee genießen können. Kaffee gab es überall, aber dort gab es auch die passende Maschine dazu. Das Ergebnis war so lecker, dass wir gleich zwei davon auf Eis getrunken haben.
Rantepao selbst hatte nicht viel zu bieten. Die Hauptstraße war eine chaotische Motorrad-Rennstrecke, Autos hatten nichts zu melden sondern machten nur die Manöver interessanter. Wir sind direkt in Richtung Westen wieder hinaus gefahren. Die Straße schraubte sich in endlosen Serpentinen in kühlere Höhen. Überall ragten die ikonischen gebogenen Dächer der Toraja-Häuser aus dem üppigen Grün. In jedem Dorf gab es auch eine schmucklose Kirche, die so auch in Südamerika hätte stehen können. Viele waren einfach gekachelt und mit Wellblech gedeckt. Einen besonderen Akzent versuchte man mit einem extra großen Wetterhahn zu setzen. Auf einem der höchsten Hügel erwartete uns die riesige Statue eines „segnenden Christus“ - eine sehr beliebte Pose. Bei all den wilden Ritualen rund um die Gräber vergisst man leicht, dass die Toraja gleichzeitig Christen sind.
Auf einem Bergrücken lag die langgezogene Ortschaft Lolei. Von verlassenen Ausflugslokalen aus hatten wir einen schönen Blick ins Tal, wo von Reisfeldern umgeben Rantepao lag. Es hat viel Spaß gemacht mit dem Roller auf den kleinen kurvenreichen Straßen durch die Wälder zu düsen. Die Straße führte durch hohen Bambus und friedliche Reisfelder.
Zurück in Rantepao haben wir vergebens versucht Sehenswürdigkeiten zu entdecken. Der sogenannte Park ist nur auf der Karte grün. Wir sind über einen einfachen Markt gelaufen und haben zufällig Manda, unsere Führerin vom Vortag, beim Einkaufen getroffen. Sie war genauso fertig von dem gestrigen Tag wie wir. Ganz Führerin, hat sie uns direkt zum Hauptmarkt geschickt. Dort sind wir auch hin, konnten uns aber nicht mehr so wirklich für die Obst- und Gemüsestände begeistern. Zwischendurch gab es auch Fisch. Alles in allem sah es ganz schön versifft aus. Ein paar Blocks weiter gab es einen Viehmarkt. Dort führten Bauern ihre Büffel und Schweine hin. Auf einem großen Platz lagen Hunderte Tiere traurig herum und harrten der Dinge.
Nach einem morgendlichen Stopp beim netten Coffee-Shop um die Ecke sind wir wieder mit dem Motorroller in die Umgebung gestartet. Das erste Ziel war Kalimbuang Bori, nördlich von Rantepao - natürlich eine weitere Begräbnisstätte. Als neues Element im Bestattungsarsenal gab es hier Monolithen. In Steinbrüchen wurden sehr hohe Steine geschlagen und auf dem Friedhof aufgestellt. Die Form ist irgendwo zwischen Obelisk und Säule, oben verjüngend. Der Status des Verstorbenen bestimmt die Größe des Steins. Die höchsten waren an die 5m. Daneben gab es noch die üblichen Steingräber, weiter hinten in einem Bambuswald auch sehr alte. Die allgegenwärtigen Toraja-Häuser muss man nicht erwähnen.
Danach sind wir über eine wilde, wirklich steile Straße die Berge hoch gekurvt. Die Straßen waren gerade so breit wie ein Auto, hatten aber trotzdem einen Mittelstreifen, weil fast nur Motorräder unterwegs waren. Von der Straße nach Lempo aus hat man einen schönen Blick aus der Höhe auf die Reisterrassen im Tal. Leider gab es in den zwei „Restaurants“ nur Kaffee und Cup Noodles. Auf dem Land war es weniger einfach als gedacht etwas zu Essen zu bekommen. Meistens fanden wir nur Büdchen mit Getränken und Snacks.
Daher sind wir direkt nach Batutumonga weitergefahren. Dort lagen einige Restaurants nebeneinander, die sogar Essen anboten. Der Blick auf die malerischen Reisfelder bringt viele Guides und Touren hier vorbei. Wir wollten auch einen Spaziergang durch die Reisfelder machen. Aus den rätselhaften Äußerungen unseres Guesthouse-Betreibers am Vortag hatten wir uns einen groben Plan konstruiert. Durch Zufall haben wir ihn genau an dem Ort getroffen, wo wir glaubten, losspazieren zu können. Er hat uns dann weitere auslegungswürdige Hinweise gegeben, die uns schließlich auf den gesuchten Trampelpfad brachten. Der Spaziergang durch die Reisfelder war wirklich herrlich. Die meiste Arbeit wird noch von Hand gemacht, wie das Schneiden des Reis. Büffel verbrachten den Tag träge in Tümpeln und zwischen dem zum Trocknen auf Planen ausgelegten Reis, schlängelten sich noch Kinder auf Motorrädern durch. Überhaupt schien es kein Mindestalter dafür zu geben. Teilweise saßen kleine Jungs zu dritt auf den Rollern und haben uns Schrecken eingejagt, weil ja immer gewinkt werden muss - auch der Fahrer und auch zwischen großen Schlaglöchern.
Auf dem Rückweg haben wir noch einen Umweg gemacht, um noch mehr Felsengräber zu sehen. Loko Mata ist ein großer, fast kugelrunder Felsen, in den unzählige Gräber geschnitten wurden. Die quadratischen Türen liegen eng beieinander. Rund um den Felsen lag der übliche „Beerdigungs-Müll“ wie Aufsteller mit Bilder der Toten, Holzgerüste vom Aufbahren und unsägliche, ziemlich große Todesanzeigen aus buntem Styropor. Es trägt nicht zum Reiz der Grabstätten bei, dass dieses Beiwerk nach der Bestattung einfach zum Verrotten liegen gelassen wird. (Bei Styropor dauert das wahrscheinlich ein Weilchen). Wir haben beschlossen, dass das die letzten Toraja-Gräber für uns sein würden.
Ein frühes Abendessen sollte uns zu frühem Schlaf führen, da wir am nächsten Tag schon um 5:30 für die Fahrt nach Tentena abgeholt werden sollten. Tatsächlich schien es ein karaokefreier Abend in der Gegend zu werden.
Unser Fahrer war auf die Minute pünktlich und wir waren auch alleine im Auto. Das war ganz gut so, denn mit vier Leuten wäre es auch in dem Minivan eng geworden. Die Fahrt nach Tentena hat an die elf Stunden gedauert, auch wenn es keine 400km entfernt liegt. Von einem etwas belebterem, langweiligen Stück im Flachland abgesehen, ging es nur durch üppigen Dschungel. Die Landschaft ist durchweg bergig. So weit das Auge reicht überzieht ein undurchdringliches Grün die Berge und Täler.
Auf den Serpentinen hat der Fahrer alles gegeben und in einer endlosen Baustelle, wo die Fahrbahn erneuert wurde, ungeahnte Überholtechniken vorgeführt. Dieselbe Baustelle hat uns zu einer fast einstündigen Pause mitten im nirgendwo gezwungen, weil die Straße jeden Tag zwei mal wegen der Bauarbeiten gesperrt wird. Mittlerweile gibt es dort einfache Bretterbuden, um mit den im Stau Wartenden ein wenig Geschäft zu machen. Wenn man das richtig taktet, kommt man so „schnell“ an wie wir. Die Fahrt mit dem Bus dauert gerne mal sechs Stunden länger.
Der Fahrer hat die Pause genutzt um sein von der Fahrt dreckiges Auto zu waschen - mit Benzin. Das hat ihm einige Zuschauer beschert, die darüber fachsimpelten - und lachten. Statt weiß mit ein paar braunen Spritzern, war das Auto danach schmierig gelb und alles hat gestunken. Leider hat ihn das schlechte Ergebnis nicht davon abgehalten, die Prozedur auf der anderen Seite zu wiederholen. Doch die Götter waren gnädig und haben später einen heftigen Regen geschickt.
Tentena ist ein kleiner Ort, wo sich zwei Landstraßen treffen. Es gibt eine aufwendige Fußgängerbrücke über den Fluss und ansonsten eigentlich nichts. Unsere Unterkunft Amadeo Guesthouse lag zwar an der Hauptstraße, aber die einfachen, gut gebauten Zimmer lagen hintenraus und waren erstaunlich ruhig, sogar mit eigenem Bad. Der Besitzer sah aus wie Higgins von Magnum und hatte uns im Vorfeld schon via WhatsApp dabei geholfen die Transporte nach Tentena und weiter zu organisieren. Überhaupt war WhatsApp das wichtigste Werkzeug für die Reiseorganisation. Die Guesthouse-Kontakte waren oft die einzige Möglichkeit, aktuelle Informationen zu bekommen.
Tentena selbst war nicht der Rede wert. In der Nähe gab es einen schönen Wasserfall. Wir haben uns im Guesthouse wieder einen Scooter geliehen und sind durch einen Schlaglochparkur dorthin gefahren. Der Weg hat sich gelohnt. Man muss ein paar hundert Meter auf angelegten Wegen durch einen schönen Wald spazieren, dann kommt unvermittelt ein malerischer Katarakt über mehrere große Stufen herunter.
Im Wald gab es auch Tarsire, winzige lemurenartige Äffchen. Bei einer köstlichen Avocado (die man hier mit Zucker ist) als Mittagssnack haben wir uns mit einem Guide für eine Nachtwanderung verabredet, um die kleinen Viecher zu sehen.
Der Lake Poso ist ziemlich groß. Man kann das andere Ufer nicht sehen, und es gibt sogar Sandstrände. Mit ein paar Wellen vom Wind war die Meer-Illusion perfekt. Die Strände sollten große Touristenattraktionen sein. Tatsächlich gab es eine Menge Buden und Picknick-Hütten und jede Menge einfach Imbisse. Allerdings war außer uns niemand da - auch in den Buden nicht. Nur einer muss irgendwo gesteckt haben, der hat super laut Musik angemacht.
In der Dämmerung sind wir die Schlaglochpiste nochmal gefahren. Beim dritten Mal kriegt man Übung. Unser Guide hat uns mit Taschenlampen über Trampelpfade durch den Dschungel geführt. Gleich am Anfang konnten wir ein Sekündchen lang ein niedliches kleines Fellkügelchen über einen Baumstamm flitzen sehen. Danach verlief die weitere Suche aber erfolglos. Dennoch war es toll im Dunkeln durch den duftenden und vom Regen am Nachmittag tropfenden Wald zu laufen. Wilde Vanille rankte sich an Büschen entlang und verströmte ihren betörenden Duft. In der Umgebung gab es auch Nelkenfelder. Nach einem Abendessen von seiner Frau scheuchte uns der Guide nebenan ins Gebüsch, weil sein Kollege endlich einen Tarsir aufgestöbert hatte. Beim Rückweg in der Dunkelheit waren wir froh, dass wir die Strecke schon zum vierten Mal gefahren sind.
Ein Angelpunkt unserer Reise sollten die Togean Islands werden. Wie alles in Sulawesi sind sie abgelegen. Von Süden kommt man nur über Ampana dorthin. Wir haben kurz vor Abreise die ganze Route umplanen müssen, weil wir festgestellt hatten, dass die Fähre, die die Togean Islands mit Gorontalo im Norden verbindet, seit ein paar Jahren nur noch montags und donnerstags fährt. Die meisten Reise-Informationen im Netz waren veraltet. Über Chat mit verschiedenen Guesthouses konnten wir uns die aktuellen Fahrpläne zusammenklauben.
Aber erstmal mussten wir von Tentena nach Ampana. Unser Fahrer hat uns unter Dauerhupen in etwa vier Stunden dorthin gebracht. Wieder ging es nur durch dicht bewaldete Berge. Die Landstraße mit ihren einfachen Hütten, Regalen mit Benzin in Flaschen, brennenden Laubhaufen und winkenden Kindern hätte ohne weiteres auch irgendwo in Südamerika sein können.
Nach einer Weile hatte sich die Straße bis an die Küste durchgekämpft und endlich waren wir am Meer. Es glitzerte verlockend hellblau zwischen den Bäumen, aber die Straße ging noch zwischen Hügeln auf und ab. Erst kurz vor Ampana wurde es flach. Doch das hässliche kleine Örtchen hat die malerische Küstenszenerie nicht unbedingt bereichert.
Wenn wir Tentena schon klein und langweilig fanden, so war Ampana noch weniger als das. Im Nachhinein empfanden wir Rantepao mit seinen vielen Straßenständen und ein paar vernünftigen Supermärkten geradezu als Großstadt. Das Triple-R Guesthouse und vor allem sein sympathischer Besitzer Dadang machten das alles mit viel Charme wett. Sein kleines Guesthouse ist komplett eigenhändig mit Reiseinfos, Rockbands (die kleine Bühne hat uns Angst gemacht, aber es wurde nicht gerockt) und aufmunternden Yogi-Tee-Sprüchen bemalt. Er hat sogar den QR-Code für das Wifi von Hand gemalt! Das hat zwar nur auf seinem Handy funktioniert, aber die Idee war super.
Am Morgen ging endlich das Speedboat zu den Togean Island. Dadang hat herzlich gelacht, als wir schon mit gepackten Koffern zum Frühstück erschienen sind. Es kam uns etwas knapp vor, eine Stunde vor Abfahrt des Boots erst zu frühstücken, aber die entspannten Profis hier wissen Bescheid. Weiter lachend hat er uns zwei mit unseren riesigen Rucksäcken in eine klapprige, kleine Rikscha gesetzt.
Im Schneckentempo ging es los. Aber es waren nur ein paar Kilometern zum Hafen. Ein paar Blocks weiter ist uns dann das Benzin ausgegangen. Kein Problem, in einem indonesischen Kaff ist immer ein Benzin-Regal in Sichtweite. Am Morgen hatte unser Fahrer aber noch keine Einnahmen und wollte uns wohl nicht nach einem Vorschuss fragen. Daher musste er ein bisschen hektisch auf der Straße warten bis ein Bekannter vorbei kam und ihm Geld geliehen hat. Am Ende waren wir nicht nur früh genug da sondern das Boot hatte auch noch Verspätung, so dass alles ganz entspannt weiter ging.
Bei der Überfahrt kamen die ersten Inseln der Togeans schnell in Sicht: Oben grüne Hölle, unten dunkelgraue, vom Meer ausgehöhlte Klippen über türkis-blauen Wellen - ein paradiesisches Bild (das uns sehr an Okinawa erinnerte). Hin und wieder tauchten ein paar Dörfer mit einfachen Pfahlbauten auf. Der größte Ort ist Wakai. Im Hafen wurden Passagiere und Fracht direkt in andere Boote umgeladen, um zu den Dörfern und Resorts der Inselgruppe zu gelangen. Wir sind in ein kleines Auslegerboot umgestiegen, das wir uns vorher per WhatsApp organisiert hatte, mit Ziel Malenge.
Es gab auf den Togeans keinen Handyempfang. So wurden unsere Handys schnell überflüssig und mit ihnen das Zeitgefühl. Die Überfahrt hat vielleicht zwei Stunden gedauert. Das Meer war spiegelglatt und die Aussicht herrlich. Das Sera Beach Resort liegt in einer malerischen, kleinen Bucht, eingeschlossen von überwucherten Klippen. Im glasklaren, türkisen Wasser blitzten zwei Sandbänke auf und hinter dem strahlend weißen Strand sahen wir kleine Holzhütten.
Kaum hatten wir unsere Rucksäcke durch das lauwarme Wasser an Land getragen und in unseren Bungalow geworfen, wurden wir zum Mittagessen gerufen. Auf den Togeans gibt es nur Vollpension, weil es keinerlei Restaurants oder Geschäfte gibt. Wir konnten uns also ein paar Tage lang einfach entspannen und füttern lassen. Von unserer spartanischen Hütte waren es nur ein paar Meter bis zum Strand. Aber warum den Weg auf sich nehmen, wenn man eine Hängematte auf der Veranda hat?
Die Tage vergingen in wohltuender Strandeinöde. Es gab ständig Essen, die Sonne schien, und träge stieg und fiel das Meer. Nachts regnete es meistens bis zum Morgen. Es gab mehr Strom als erwartet, ein paar kleine Solarzellen konnten funzelige Lampen betreiben und Geräte aufladen. Klimaanlagen oder Ventilatoren gab es nicht, aber die Nächte waren mild und angenehm.
In der Bucht vor unserer Tür lagen kleine Korallenriffe und wir konnten quasi von der Veranda aus losschnorcheln. Links und rechts schlossen sich weitere Buchten an, wo wir noch mehr Fische und Korallen sehen konnten.
Vor der Insel im Meer gibt es auch gute Riffe, von denen wir einige zum Schnorcheln besucht haben. Auf einem davon - mitten im Meer - wurde ein Haus auf Betonpfeilern errichtet. Das war mal eine maritime Polizeistation, die das illegale Dynamit-Fischen verhindern sollte. Anscheinend erfolgreich. Heute wird mit Netzen gefischt und alle wissen, dass die Touristen mehr einbringen als die Fische.
Das Resort wird von einer fröhlichen Familie geleitet und alles ist sehr unkompliziert. Leider hat uns der Karaoke-Fluch bis auf diesen entfernten Flecken begleitet. Die fröhliche Familie hat sich von unvorsichtigen Gästen zum Singen und Tanzen überreden lassen, was uns eine weitere Nacht mit Ohrstöpseln beschert hat.
Um die Ecke lag ein kleines Dorf vor der Insel im Meer. Die Häuser waren von Seenomaden im flachen Wasser auf Stelzen gebaut. Aber ihre Sesshaftigkeit hat sich irgendwann in Form eines kilometerlangen Stegs, der von der Insel zum Dorf führte, manifestiert. Darunter lässt sich hervorragend schnorcheln. Überraschenderweise wuchsen dort große Gorgonien in allen Farben von rot, gelb bis zartrosa nur eine handbreit unter der Wasseroberfläche. Die Farben strahlten in dieser Tiefe natürlich unschlagbar gut.
In dem eigenartigen Dörfchen hat uns unser Resort-Wirt und Bootsführer Nuir zu einer kleinen Hummerzucht geführt. Das Praktische an einem Haus auf Stelzen mitten im Meer ist, dass man sich einfach ein Netz ans Haus nageln kann und schon hat man eine Hummerfarm. Wir haben uns fürs Abendessen zwei lebende Lobster mitgenommen.
Die mussten wir dann auch selber in der Küche der Resort-Familie zubereiten. Das Ausmaß der Zubereitung wurde uns erst klar, als man uns lachend einen Knüppel und eine Machete reichte. Nach ein paar beherzten Hieben brauchten wir nur noch einen Grill und etwas Öl für dieses köstliche Abendessen.
Die Abreise von den Togeans war nicht nur traurig, weil wir diesen schönen, entspannten Ort verlassen würden, sondern vor allem einschüchternd wegen der kommenden Transporte. Noch vor Mittag mussten wir mit einem kleinen Boot zurück nach Wakai, dem Haupthafen der Togean Islands. Das hat schon wegen Überbelegung fast drei Stunden gedauert. Aber wir waren auch (auf Anraten hin) viel zu früh da. Wakai ist in ziemlich desolaten Zustand und das Hafengebäude ist halb verfallen. Man würde nicht meinen, dass dort an vier Tagen pro Woche Betrieb ist.
Die große Fähre legte gegen sechs Uhr abends endlich ab. Da waren wir schon völlig kaputt. Wir hatten uns für die „Tatami Class“ entschieden. Dieses Deck hat zwei Etagen mit Betten und war an den Seiten offen. Frische Luft auf See klang nach einer guten Idee, im Gegensatz zu abgeschlossenen klimatisierten Räumen. Da es regnete und die Passagiere ohne Ticket für ein Bett im Gang unter den Fenstern lagen, wurden noch vor der Abfahrt dicke Plastikplanen herunter gelassen, die jeden Luftaustausch verhinderten. Es wurde immer wärmer und stickiger und dutzend Kinder bekamen einen Koller. Während der zwölf Stunden Überfahrt haben wir tatsächlich ein bisschen Schlaf gefunden (als die Cafeteria ihre Atari-Musik endlich ausgestellt hatte). Aber die Nacht war kein Genuss.
Im Hafen von Gorontalo wartete schon unser Fahrer, den wir mal wieder per Chat mit einem Guesthouse organisiert hatten. Das Harry & Mimin Homestay in Gorontalo verdient Erwähnung für ihre gute Organisation. Der Fahrer hat uns zuerst dort abgesetzt, wo wir uns kurz frisch machen konnten und auch noch ein Frühstück bekommen haben - und nebenbei bezahlen konnten.
Unser Fahrer schien schon im Greisenalter zu sein, und fuhr gleichzeitig sehr angespannt und sehr langsam. Harry hatte ihm noch mit auf den Weg gegeben, dass es eine Nichtraucherfahrt sei. An so was denkt man ja gar nicht mehr. Aber bei einer frühen Mittagspause hat der Fahrer fünf Zigaretten hintereinander in Kette geraucht, um aufzuholen oder vorzusorgen. Vielleicht war er doch noch kein Greis, nur einfach sehr sehr ungesund.
Die Fahrt durch Nordsulawesi ging wieder durch endlose grüne Wälder. Wir wähnten uns schon fast am Ziel, als wir durch Manado, der größten Stadt im Norden, fuhren. Dort gab es große Malls und ein ganz sympathisches, urbanes Gewusel. Danach hat der Fahrer aber die einzige Autobahn des Landes links liegen gelassen und sich in eine verstopfte Landstraße geschlängelt. Wir haben gut genug aufgepasst um zu merken, dass er sich verfahren hatte. Dann war klar, dass er eigentlich nicht wusste, wo wir hin mussten. Wir haben ihn dann mit unserem Handy geleitet. Nach 13 Stunden Fahrt (insgesamt 33 Stunden Reise) und ein paar sehr langen letzten Kilometern durch einen dunklen Wald waren wir endlich beim Tangkoko Nationalpark angekommen.
Die Tangkoko Sanctuary Villa liegt abgeschieden auf einem Hügel mit Blick über den Nationalpark. Gegen unsere feuchte Holzhütte auf Malenge waren die Steinwände und vor allem der Trocken-Modus der Klimaanlage der pure Luxus. Wir haben gerade noch das liebevoll angerichtete Abendessen überstanden und sind endlich in ein echtes Bett gekommen.
Der Tangkoko Park ist ein herrlicher Dschungel. Wir wollten hier die Gelegenheit nutzen, um etwas von der Tierwelt Sulawesis zu sehen. Einen kurzen Blick auf einen Koboldmaki (Tarsier) konnten wir zwar schon in Tentena werfen, aber hier sollte es noch mehr davon geben - und natürlich Vögel. Ein Guide hat uns morgens abgeholt und die kurze Strecke in den Park gefahren.
Kaum waren wir auf dem Fußweg tiefer in den Park unterwegs, wurden wir von einer großen Gruppe Schopfmakaken eingeholt, die auf dem Weg zum Strand war. Die Primaten sind schwarz und reichten uns bis an die Knie. Für Menschen interessierten sie sich nicht sonderlich, sondern machten sich über Früchte und die Reste angespülter Süßgetränken her.
Danach hatte sich unser Führer auf Vögel konzentriert. Es gab schöne Kingfisher, die hier allerdings nicht tauchen sondern einfach Insekten aufpicken. Das Highlight war der majestätische Nashornvogel. Ein Paar saß oben in einem mächtigen Baum und hat sich durch ein Fruchtsortiment gesnackt. Nicht nur die Rufe der großen Vögel sind markant - wenn sie mit ihrer beeindruckenden Spannweite zum Fliegen ansetzen, klingt es als würden Hubschrauber starten.
Für ein üppiges Mittagessen und vor allem ein nachmittägliches Nickerchen waren wir zurück ins Hotel gebracht worden. Aber am späten Nachmittag ging es wieder in den Park, um zum Einbruch der Dunkelheit den winzigen Tierchen auf die Nerven zu gehen. Dutzend Touristen mit ihren Guides hatte sich um einen großen Baum mit einem hohlen Stamm versammelt. Kaum wurde es schummrig sprang das erste Fellknäuel auf einen Ast. Koboldmakis sind wirklich sehr niedlich. Wenn sie sich an einem Ast festhalten sind sie fast rund und kaum größer als ein Tennisball. Die großen Augen sind herzerweichend. Aber zu oft hüpften sie in meterweiten Sprüngen einfach von Ast zu Ast wie ein Flummi.
Von Tangkoko sind wir durch die wenig reizvolle Industriestadt Bitung gefahren. Es war Sonntag und die Menschen trugen ihre schönsten Kleider in die hässlichsten Kirchen. Die Küstenlinie war mit großen Silos und gammeligen Hafenanlagen zugebaut. Hinter der Stadt an einem schwarzen Strand wartete schon ein Boot, um uns auf die gegenüberliegende Insel Lembeh zu bringen.
Die Fahrt dauerte nur zehn Minuten. Die Straße von Lembeh ist ein schmaler Streifen, der auch als Fluss durchgehen würde. Das Gewässer war voll von rostigen Frachtern in unterschiedlichen Stufen des Verfalls. Das K2 Lembeh Dive Resort war in einem Garten angelegt, der auf einem steilen Grundstück über dem Ufer lag. Nebenan war ein Schiffsfriedhof und die hübschen Holzhäuschen boten Ausblick auf die zahllosen Schiffe, die den Hafen von Bitung umkreisten. Im Zimmer lagen verheißungsvoll gleich vier Methoden zur Bekämpfung von Moskitos bereit.
Wir hatten unseren letzten Stopp in Sulawesi hier gewählt, weil Lembeh ein besonderer Tauchspot ist. Das Meer ist flach und der Boden größtenteils schlammig oder aus schwarzem Sand. Es gibt zwar viel weniger Korallen als anderswo, aber man kann hier besonders winzige Weichtiere bestaunen.
Eigentlich wollten wir erst am nächsten Tag tauchen. Aber es gab einfach nichts anderes zu tun, so dass wir schon am Nachmittag wieder eingestiegen sind. Denn es war einige Jahre her, dass wir zuletzt getaucht waren. Außer uns gab es nur einen weiteren Gast und jeder hatten seinen eigenen Tauchführer. So sind wir recht entspannt wieder in Übung gekommen.
Die Unterwasserwelt war wirklich sehr besonders. Lembeh war das Lilliput des Tauchens: Fische, Schnecken, Sepien, alles gab es in der Größe eines Fingernagels. Das Hotel war so nett uns kostenlos eine Unterwasserkamera auszuleihen. Vermutlich waren wir die einzigen, die jemals ohne schweres Gerät angekommen sind. Das war sehr hilfreich, da wir viele Kleinigkeiten, die uns der Tauchguide gezeigt hat, erst später an Land in Vergrößerung richtig erkennen konnten. Ein bisschen absurd war das schon. Je kleiner, je lieber.
Da man wirklich nichts anderes als tauchen konnte, hatten wir uns eine neue Unterkunft in der Nähe gesucht. Die Crew war zwar sehr besorgt, warum wir früher abreisen wollten, aber das lag nicht an den sehr freundlichen Leuten. Mittags hatte uns ein Boot vom White Sands Beach Resort abgeholt und in einer Viertelstunde zwei Buchten weiter gebracht. Dort war eine der wenigen Stellen an der Küste von Lembeh mit einem Strand. Das Hotel war sehr schön angelegt, mit luxuriösen Bungalows direkt am weißen Strand.
Wir haben noch ein bisschen getaucht. Aber vor allem wollten wir uns in den letzten Tagen noch ein bisschen Entspannung gönnen, gemütlich unter Meermandelbäumen liegen, lesen und uns vollpensionieren lassen. Das ging im White Sands ziemlich gut, zumal sehr wenig los war.