Kaum eine Stadt ist vermutlich mit so vielen Bildern und Träumen verbunden wie Havanna. Die Altstadt kommt einem Prototypen des kultivierten Verfalls, einem urbanen Edelschimmel sozusagen, am nächsten. Die engen Straßen sind von ehemals wundervollen Stadthäusern gesäumt, die jetzt in verschiedenen Geschwindigkeiten vor sich hin gammeln.
Wir haben uns von unserer Casa in Varadero weiter empfehlen lassen, so dass die übliche Hotelsuche praktischerweise wegfällt. Wir sind im ersten Stock in einem der alten Häusern der Altstadt untergekommen. Die Wände sind feucht, aber die Decke ist schicke fünf Meter vom Boden entfernt und mit tollstem Stuck verziert. Wir frühstücken im Wohnzimmer mit Jugenstilfliesen und Buntglasfensterläden mit Blick auf die Ruine gegenüber. Im Innenhof hat ein Nachbar einen Steinbruch ausgehoben.
Die Versorgungslage in Kuba scheint sich deutlich gebessert zu haben. Von Zugezogenen haben wir gehört, dass hier vor einem Jahr noch Plastiktüten gewaschen und recycelt wurden, während man jetzt Leute mit Flachbildfernsehern unterm Arm sieht. In der Altstadt werden nach und nach auch viele historische Gebäude von der Regierung restauriert. Das alte Hotel Florida zum Beispiel erstrahlt mit seinem schönen Patio wieder in altem Glanz.
Ein Ausflug in das früher berüchtigte Viertel Vedado, wo die amerikanische Mafia ihre Gipfeltreffen abhielt und jedes Haus ein Casino oder Nachtclub enthielt, zeigt eine weniger traumhafte Seite der Stadt. Hier sind die Straßenzüge extrem heruntergekommen und mit vielen hässlichen Neubauten aus den letzten fünfzig Jahren verschandelt. Der Spaziergang am Malecon entlang, der berühmten Uferpromenade, lohnt sich aber allemal. Die Wellen brechen an der Kaimauer und arbeiten hartnäckig am vollständigen Verrosten der alten Autos, die hier überall herumfahren.