Im Waldrausch haben wir am nächsten Morgen dem höchsten und nach Ansicht einiger Anwohner auch heiligsten Baum der Gegend einen Besuch abgestattet. Der Ceiba-Baum soll an die 900 Jahre alt sein und ist 100m hoch. Auf den ersten Blick wirkte der Baum gar nicht so viel größer als der Rest. Man stellt sich einen Funkturm mit grüner Spitze vor.
Hier sind die anderen Bäume auch nicht gerade klein. Die Ceiba könnte man mit ihrer gewaltig breiten Krone auch gleich für einen ganzen Hain halten. Tatsächlich soll man 28 Mann brauchen, um ihn zu umfassen. Das wirft natürlich Fragen nach der Methode auf, die man als zwangsbegeisterter Tourist natürlich nicht stellen sollte. Aber wenn man zwischen den Hochwurzeln steht und nach oben guckt, hat man schon einen beeindruckenden Anblick. Die Flanke sieht aus wie eine Straße aus Holz, auf der sich vermutlich zwei Autos überholen könnten.
Auf dem Rückweg haben wir einen Halt in einer "Community" gemacht. Santa Rita liegt auf der anderen Seite des Javaris und ist daher nicht mehr brasilianisch sondern liegt in Peru, zu dem auch ein Stück von diesem seltsamen Dreiländereck gehört. Trotzdem wird hier mit kolumbianischen Pesos bezahlt. Und natürlich gibt es auch keine Grenzkontrollen. Das Gebiet ist eine extrem Grüne Grenze und für Pässe und Stempel interessiert sich hier niemand. Die 40 Einwohner von Santa Rita haben es auch so offensichtlich nicht leicht. Die armen Behausungen liegen ein einer langen Reihe am Fluß und zählen die örtliche Telefonzelle zu ihren fortschrittlichsten Errungenschaften. Immerhin gibt es seit kurzen eine Stromleitung hierher (aus Brasilien).
Um den letzten Nachmittag nicht zu vergeuden, haben wir uns zum Angeln überreden lassen. Das kommt dem Vergeuden verdächtig nah, ist aber immerhin mit einer Bootsfahrt verbunden. Wir sind wieder durch den Seitenkanal zur San Antonio Lagune gefahren. Durch die nächtlichen Regenfälle ist der Fluss sichtbar gewachsen und der Kanal kaum noch zu passieren. Unser brasilianischer Führer Walter hat mit seiner Machete eine Menge Biomasse hinfort gezaubert und wir mussten einen Boots-Limbo unter den Stämmen machen. Das Angeln ist so aufregend ausgefallen, wie erwartet. Vermutlich ist es eine Einstellungssache, aber auch Langeweile und Spaß liegen im Auge des Betrachters. Zum Glück haben wir nichts gefangen, sodass wir uns nicht auch noch mit der tierischen Seite dieses "Sports" beschäftigen mussten. Wir haben stattdessen einige Übung im Ausschleudern der Leine und im Herauslösen der Haken aus Bäumen und Sträuchern bekommen. Auf der Rückfahrt haben wir dann endlich ein paar Delfinrücken gesichtet. Von rosa konnte zwar keine Rede sein, aber auch in grau sind sie nett anzuschauen. Leider hatten wir keine Ringe und Bälle, so dass sie direkt wieder gelangweilt abgetaucht sind.
Nach dem Abendessen haben wir mit sehr netten Kolumbianern, die uns mit Reisetipps überhäuft haben (wir müssen wohl wieder kommen, um das alles in einer zweiten Reise abzuarbeiten), eine Kanne Caipirinha geleert, die hier gerne nach dem Abendessen gereicht wird. Für Kolumbianer ist das besonders toll, weil man in Kolumbien verrückter Weise kaum Cachaça bekommt. Der wird vom Zoll abgefangen, damit sich die einheimischen Aquadiente-Produzenten nicht so viel Mühe geben müssen. Auf unserer kleinen Terrasse haben wir ein letztes Mal den Sternhimmel und den Mond über dem nächtlichen Rio Javari bewundert, der träge in Richtung Amazonas fließt.